Veranstaltung: | 39. Bundesmitgliederversammlung von Campusgrün in Erlangen |
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Tagesordnungspunkt: | 4.5.1 Inhaltliche Anträge |
Antragsteller*in: | Campusgrün Bundesvorstand (dort beschlossen am: 14.06.2019) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 29.06.2019, 09:22 |
Antragshistorie: | Version 1 |
A1NEU: Für den Einbezug von Hochschulen für angewandte Wissenschaft und Fachhochschulen: Psychotherapeutenausbildungsreformgesetz überarbeiten!
Antragstext
Die Sorge für die Gesundheit ist eine gesellschaftlich verantwortungsvolle
Aufgabe und erfordert ausreichend Zeit und Sorgfalt in der Ausbildung.
Hintergrund:
Seit 1999 ist es in Deutschland nach dem Studium der Psychologie (universitäres
Diplom/Master) möglich, eine Ausbildung zum/zur Psychologischen
Psychotherapeut*in zu absolvieren. Für den Beruf des/der Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeut*in ist dies nach einem Studium der Pädagogik oder
Sonderpädagogik möglich. Die Ausbildung schließt an den Hochschulabschluss an
und ist zeit- (mindestens 3 Jahre Vollzeitausbildung, 5 Jahre
Teilzeitausbildung) und kostenintensiv (im fünfstelligen Bereich). Hinzu kommt
die meist prekäre finanzielle Lage der Psycholog*innen in Ausbildung (PiAs)
während der 1800 Stunden ihrer Praktischen Tätigkeit, die in der Regel zu Beginn
der Ausbildung absolviert wird. Diese findet häufig im
Praktikant*innenverhältnis statt. Das bedeutet, dass die PiAs im Durchschnitt
während dieser Ausbildungsphase nur 639,00€ monatlich verdienen; zudem ist
jede*r dritte PiA während der Praktischen Tätigkeit über seine/ihre Einrichtung
nicht sozialversichert ist (Klein-Schmeink, 2017). Diese Bedingungen sind
ausbeuterisch! Oft wird diese schlecht bezahlte Care-Arbeit von Frauen
übernommen. Durch die privat finanzierte Ausbildung ist der Zugang zur
Ausbildung sozial selektiv und treibt die Spaltung der Gesellschaft voran. .
Diese Missstände sind der Politik seit Jahren bekannt und die Bundesregierung
hatte eine Neuregelung schon bereits im Jahr 2013 angekündigt.
Nach Jahren des Wartens wurde Anfang 2019 ein Referent*innenentwurf des
Psychotherapeutenausbildungsreformgesetz in Bundestag und Bundesrat eingebracht
und der Gesundheitsausschuss der Bundestags hielt am 15.5.2019 dazu eine Sitzung
mit Sachverständigen ab [Stand 19.5.2019].
Dieses Gesetz sieht einen neuen Studiengang der Psychotherapie vor (konsekutiver
Bachelor- und Masterstudiengang) und bringtdie Verbesserung der prekären Lage
der Ausbildungsteilnehmer*innen mit sich. Sie schließen das Studium der
Psychotherapie bereits mit Approbation ab und ihre Tätigkeiten im Rahmen der
Weiterbildung können somit von den Krankenkassen vergütet werden (vergleichbar
mit dem Studium der Medizin, das auch mit Erteilung der Approbation endet). Dies
ermöglicht eine sozialversicherte Anstellung zu einem tarifgemäßen Gehalt
während der Weiterbildungsphase.
Kritik am neuen Psychotherapeutengesetz:
Der Reformprozess mit all seinen Vorteilen, die wir begrüßen, hat jedoch mehrere
Haken: Er unterschlägt, dass das Zweiklassendenken bezüglich Hochschulen und
Universitäten in der Hochschullandschaft überkommen ist.
Konsekutive Bachelor-/Master- Studiengänge haben den gleichen Arbeitsaufwand,
sind ebenfalls nach den gleichen Kriterien wissenschaftlich anerkannt und
schließen mit dem gleichen Qualifikationsniveau (Bachelor EQR=6; Master EQR=7)
ab wie universitäre Studiengänge. Über Lehre und Studium muss paritätisch
entschieden werden. Die Landeshochschulgesetzte sehen zudem keine Unterscheidung
der Abschlüsse nach Hochschulart mehr vor.
Das Angebot des neuen Studiengangs auch an Fachhochschulen und Hochschulen für
angewandte Wissenschaft wäre zudem im Sinne einer flächendeckenden
psychotherapeutischen Versorgung. Es kann auch zur Abbildung aller
wissenschaftlich fundierten psychotherapeutischen Verfahren (z.B.
psychoanalytische Psychotherapie, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie,
Verhaltenstherapie und systemische Psychotherapie) sein.
Deshalb ist es unverständlich, warum Hochschulen für angewandte Wissenschaften
und Fachhochschulen beim Angebot des neuen Studiengangs ausgeschlossen werden
sollten. Dieser Auffassung sind ebenfalls der Gesundheitsausschuss und
Kulturausschuss des Bundesrats (Bundesrats-Drucksache 98/1/19; Punkt 10), die
Landesregierung Sachsen-Anhalt (Landtag von Sachsen-Anhalt Drucksache 6/4291)
und die Grüne Bundestagsfraktion (Bundestag Drucksache 19/9272).
Wir fordern
- Folgende Änderung von §9 Absatz 1 im
Psychotherapeutenausbildungsreformgesetz:- Streichung von: „Das Studium nach § 7 Absatz 1 Satz 1 findet
ausschließlich an Universitäten oder diesen gleichgestellten
Hochschulen (Hochschulen) statt.“ - Ersetzung der Streichung durch: Das Studium nach § 7 Absatz 1 Satz1
findet ausschließlich an Hochschulen statt.
- Streichung von: „Das Studium nach § 7 Absatz 1 Satz 1 findet
- Faire Übergangslösungen für aktuelle Studierende, so dass Alle
selbstsbestimmt über ihre Lebensentwürfe bzgl. Studium und Ausbildung
verfügen können. Dazu fordern wir Übertrittsmöglichkeiten vom bisherigen
in das neue System sowie eine deutlich längere Übergangsfrist der
bisherigen Ausbildung (PsychThG-RefE §28 Absatz 2).
- dass durch eine Kultur der Solidarität statt des Konkurrenzkampfes
üsychische Gesundheit (Nach WHO-Definition² gefördert wird.
- dass den patriarchalen Strukturen, welche durch die aktuelle
Ausbildungssituation aufrechterhalten werden, entgegengewirkt wird.
Quellen:
1. Klein-Schmeink, 2017: https://www.klein-schmeink.de/data/user/PDF-
Dokumente/2017/Ergebnisbericht_PiA-Umfrage.pdf
2. Gesundheit ist ein Zustand völligen psychischen, physischen und sozialen
Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen. Sich des
bestmöglichen Gesundheitszustandes zu erfreuen ist ein Grundrecht jedes
Menschen, ohne Unterschied der Rasse, der Religion, der politischen Überzeugung,
der wirtschaftlichen oder sozialen Stellung.
Unterstützer*innen
- Robin Ebbrecht (GHG Stendal)
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